Das Grosse Abschlusskonzert

Das Grosse Abschlusskonzert

Konzert

Das Stelzenfestspielorchester unter der Leitung von John Roderick MacDonald mit der Ouvertüre aus dem „Zigeunerbaron“ von Johann Strauss, dem Doppelkonzert für Violine, Violoncello und Orchester“ von Johannes Brahms, und der „Scheherazade“ von Nikolai Rimski Korsakow. Solisten: Sebastian Breuninger (Violine), Christian Giger (Violoncello), Sprecherin: Carolin Masur

Schon der Gattungsbegriff führt die Irre: Als Operette wird „Der Zigeunerbaron“ heute meist aufgeführt – veröffentlich aber hat Johann Strauß jr. (1825-1899) das Werk zunächst als „Komische Oper“. Der 1885 komponierte „Zigeunerbaron“ gehört nicht nur in Deutschland zu den meistgespielten Werken des Musiktheaters. Für viele ist es das beste Bühnenstück des Wiener Komponisten, der den ungarischen Zigeu-nern damit ein romantisches Denkmal auf höchstem Niveau setzte. Schon das Sujet verspricht vielfarbiges Kolorit: Nach langen Kriegswirren kehrt der junge Barinkay auf den Gutsbesitz seiner Familie zurück. Seine Ländereien hat der Schweinezüchter Zsupán in Besitz genommen. Nur die Zigeunerin Czipra erkennt in Barinkay den Sohn des Gutsbesitzers, weshalb ihn die Zigeuner als rechtmäßigen Herren akzeptieren. Barinkay verliebt sich in das Zigeunermädchen Saffi, als sich jedoch herausstellt, dass diese von adeliger Herkunft ist, fühlt er sich ihrer nicht würdig. Er verpflichtet sich für die Armee, zieht in den Krieg und kehrt hochdekoriert zurück. Erstaunlich ist, dass Strauß die Ouvertüre keinesfalls nach dem gängigen Potpourri-Muster gestaltete: Anstelle eines bunten Blumenstraußes der besten Melodien formte Strauß die Eröffnung seines „Zigeunerbaron“ zu einem in sich geschlossenen Musikstück, das auch die komplexe Vorgeschichte thematisiert. Wie sonst ist es zu verstehen, dass die ersten Takte mit jenem fremdartigen türkischen Kolorit gefärbt sind, das später Saffi zugeordnet wird – oder dass die Schlachten, die im Stück sorgsam ausgespart werden, hier plötzlich zu erahnen sind? Im Jahr 1887 galt Johannes Brahms (1833-1897) nicht nur als Antipode der Neu-deutschen um Wagner und Liszt, sondern zudem als einer der renommiertesten Komponisten Europas. Sein Prinzip der Entwicklung und Ableitung von Themen aus einem Keimmotiv hatte Brahms zu dieser Zeit längst erarbeitet. Mit dem Doppelkonzert für Violine, Violoncello und Orchester a-Moll op. 102 beschritt Brahms formal neue Wege: Inmitten einer Zeit, in der das Publikum nach Bravourkonzerten lechzte, griff er zur Gattung des im 19. Jahrhundert kaum mehr erprobten Konzerts für zwei Soloinstrumente und wollte darin Violine und Cello sogar als „ein Soloinstrument mit acht Saiten“ verstanden wissen. Für die Solisten bringt das ungewohnte Anforderungen mit sich: Anstelle mit eigener Virtuosität zu brillieren, müssen sie in erster Linie aufeinander hören. In seiner engen Verzahnung von Solo- und Orchesterpart neigt das Werk zudem eher zu einer „Sinfonia concertante“, wenngleich es formal in klas-sischer Dreisätzigkeit gehalten ist. Alle Sätze unterliegen dem von Brahms entwickelten Kompositionsprinzip der entwickelnden Variation, das Werk weist darum kaum nennenswerte Wiederholungen auf. Unmittelbar nach Beginn des Allegro, das mit einem markanten Hauptthema im Orchestertutti anhebt, wird den Solisten eine improvisatorisch wirkende Kadenz eingeräumt – erst dann folgt die eigentliche Orchesterexposition. Das schwelgerische Seitenthema erinnert an den Beginn der 4. Sinfonie. Die Durchführung wird von Solopassagen, die aus dem thematischen Material abgeleitet sind, beherrscht, das Orchester tritt demgegenüber zurück. Das liedartige Andante schließt die Solisten so eng an das Orchester an, dass sie erst in dem durch die Holzbläser eingeleiteten Mittelteil Eigenständigkeit gewinnen. Die zunächst einfach wirkende Satzstruktur verdichtet sich dabei immer mehr. Im Vivace non troppo spielen die Solisten deutlicher als zuvor die entscheidende Rolle: Das Cello führt das Rondothema ein, mit markanten Doppelgriffen stellen beide zudem das hymnische zweite Thema vor. Die Coda wartet mit einen letzten brillanten Duo der Solisten auf. Besonderen Reiz gewinnt dieses Finale durch seinen rhythmischen Elan. Nicht alle Zeitgenossen des Komponisten waren jedoch begeistert vom neuen Werk. Während die langjährige Freundin Clara Schumann bemängelte, in der Komposition fände sich „nirgends ein so frischer warmer Zug als in vielen anderen seiner Sachen“, resümierte Joseph Joachim, der Violinsolist der Uraufführung, er möchte dem Werk „fast den Vorrang vor dem Violinkonzert geben“. Für Brahms war das Doppelkonzert die gelungene Versöhnung mit dem berühmten Jugendfreund, dessen Scheidung für Differenzen zwischen beiden gesorgt hatte. Doch das Konzert, in dem Brahms geschickt ein Thema von Louis Spohr versteckte (es entstammt dem Lieblingskonzert von Joseph Joachim), versöhnte die beiden Ausnahmekünstler. Durch die Weltausstellungen angeregt lag das Thema „Orient“ im Europa der Jahrhundertwende allerorten in der Luft. Viele Künstler fanden das von ihnen gesuchte exotische Element in der persischen Märchensammlung „Tausendundeine Nacht“. Eine der Hauptfiguren aus deren Rahmenhandlung ist Scheherazade, die Tochter des Wesirs des Königs Schahrayâr, der von seiner Frau betrogen wurde. Davon überzeugt, dass es keine treue Frau gibt, fasst der König den Entschluss, an jedem Tag eine neue Frau zu heiraten, die er am nächsten Morgen töten lässt. Um diesem Treiben ein Ende zu bereiten, lässt Scheherazade sich selber dem König zur Frau geben. In der Nacht erzählt sie Schahrayâr eine Geschichte, deren Handlung am Morgen abbricht. Neugierig auf das Ende lässt der König sie am Leben. Dieses Spiel wiederholt sich in 1001 Nächten. Am Ende ist Schahrayâr von der Treue seiner Frau überzeugt und von ihrer Klugheit so beeindruckt, dass er sie am Leben lässt. Das bei weitem populärste Orchesterwerk aus der Feder von Nikolai Rimski-Korsakow (1844 bis 1908) lässt die Tatsache bisweilen in den Hintergrund rücken, dass der russische Komponist im Laufe seines Lebens eine ganze Reihe von Sinfonien, sinfonischen Dichtungen und Opern schrieb. Wie die meisten Mitglieder in der Künstlervereinigung „Das mächtige Häuflein“ war auch Rimski-Korsakow ein Staats-bediensteter: Dennoch konnte er, nachdem er mit 21 Jahren in den Offiziersstand getreten war, sich ausgiebig der Komposition widmen. Als er sechs Jahre später Kompositionsprofessor am St. Petersburger Konservatorium wurde, löste er sich damit aber vom Ideal seiner Freunde, die eine urwüchsige, unbelastete Kompositionsweise bevorzugten. 1888 schrieb Rimski-Korsakow parallel zur Ouvertüre „Russische Ostern“ die Sinfonische Dichtung „Scheherazade“ op. 35. Sie ist wie eine Suite in vier Bilder gegliedert, denen der Komponist ursprünglich programmatische Titel gab (der Nachvollziehbarkeit halber werden diese im Programmheft auch genannt). Gerahmt und verbunden werden diese Geschichten durch die Kadenzfiguren der Solo-Violine, die die erzählende Scheherazade selbst porträtieren. Anders aber als in der Musik des von Rimski-Korsakow verehrten Wagner fehlt in „Scheherazade“ trotz des Programms eine Leitmotivik im eigentlichen Sinne, da die musikalischen Themen in un-terschiedlichen Erzählzusammenhängen und Funktionen auftauchen, wie der Komponist selbst schreibt: „Auf der Grundlage der völlig freien Behandlung des musikalischen Materials wollte ich eine viersätzige Orchestersuite schaffen, die einerseits durch Themen und Motive innerlich geschlossen ist und andererseits gleichsam eine kaleidoskopartige Folge von Märchenbildern orientalischen Geprägtes bietet.“ Die Uraufführung der Sinfonischen Dichtung leitete der Komponist selbst, „Scheherazade“ bildete zudem bereits 20 Jahre vor dem Tod Rimski-Korsakows den Schluss-punkt des sinfonischen Schaffens des Komponisten.

Hagen Kunze

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